Zimmer zum Platz
Das Zimmer zum Platz ist das Meerblick-Zimmer des Städtereisenden. In Brüssel ging mein Hotelzimmer auf die Grand Place (Grote Markt) – dem Herzen der Stadt. Mehr Mittendrin statt nur Dabei geht nicht. Gerade auch Nachts, dank der ungefilterten Geräuschübertragung vom Platz ins Zimmer. Statt Meeresrauschen und Kieselgeröll das Kampfgegröle der Mehrberauschten.
Keinen Moment bereute ich meine Buchung dieses Zimmers: Die optische Freude wog den Lärm mehr als auf. Ich wohnte für drei Tage an und über einem Platz. Mein Zimmer war ein Teil der historischen Fassaden dieses Platzes. Das Fenster öffnete sich zur Stadt hin. Ein schöner Liedtitel des Londoner Stadtpoeten und Ambient-Musikers John Foxx kam mir in den Sinn: A Room As Big As A City.
Veröffentlicht am 9. Oktober 2012
Pinky Palermo
Palermo und die Farbe Rosa pflegen eine enge Freundschaft. Rosa ist in der sizilianischen Hauptstadt allgegenwärtig: An Wandverputzen, Kirchenkuppeln oder dem schönen Holz-Kiosk vor dem Teatro Massimo. Die Stadtheilige heisst Santa Rosalia und die Fussballer der Unione Sportiva Città di Palermo spielen in Schwarz und Rosa.
Veröffentlicht am 11. Oktober 2012
Die Stadt aus der Luft
Der Blick von oben auf die Stadt ist nicht selbstverständlich: Türme sind nötig oder Luftfahrzeuge. In Baden war dies kürzlich dank einer Aktion der Stützpunkt Feuerwehr Baden möglich: Die Leiter des Löschfahrzeugs wurde zu ihrer maximalen Höhe ausgefahren und Interessierten so eine Vogelschau auf Baden gewährt.
Auf Augenhöhe mit der Turmspitze der reformierten Kirche von Baden.
Veröffentlicht am 17. Oktober 2012
„Once more see city lights“ (Jim Kerr)
Die Lichter der Stadt faszinieren. Seit den 1920er Jahren gehören Leuchtschriften und Leuchtreklamen zum nächtlichen Erscheinungsbild der Städte. Einer der urbansten Orte der Schweiz ist für mich der Hochhaus-Gebäudekomplex Bel-Air-Metropole in Lausanne: Das erste Hochhaus der Schweiz weist den Weg in die Moderne während der elegante Schriftzug Abend für Abend verheissungsvoll die Metropole feiert.
Veröffentlicht am 26. Oktober 2012
Art Déco in Leipzig
So lautet der Titel des empfehlenswerten Bildbandes von Wolfgang Hocquél und Jill Luise Muessig (Regensburg, 2007). Art Déco steht für vielerlei Kunstschöpfungen der 1920er und 1930er Jahre. In der Architektur bezeichnet Art Déco eine der zahlreichen Stilhaltungen in den schöpferischen Zwanziger Jahren: Flächiger als der Architektonische Expressionismus, zierfreudiger als die Bauhaus-Moderne, verspielter als der Neoklassizismus und futuristischer als der Reform- und Heimatstil.
Während meines alljährlichen Leipziger Pfingst-Aufenthalts habe ich einige der architektonischen Schönheiten vor Ort für meinen Blog fotografiert. In diesem ersten Teil zeige ich Fassadengestaltungen der Wohnhäuser an der Richard-Lehmann-Strasse und der benachbarten Arthur-Hoffmann-Strasse in der Leipziger Südvorstadt. Die Angaben zu Architekten und Baujahr stammen aus dem genannten Buch.
Der Architekt Richard Thiele entwarf 1927 diese Wohnhäuser an der Richard-Lehmann-Strasse. Das scharfkantige Bauvolumen wird durch präzise Geometrie und eine expressionistisch bunte Farbgebung akzentuiert.
Gleich daran anschliessend folgt das Wohnhaus an der Arthur-Hoffmann-Strasse:
Hier hat der Architekt Thiele die Fassade flächiger und zurückhaltender gestaltet. Umso mehr wirken die Eingangspartie aus Klinker und der geschmeidig aus der Dachtraufe entwickelte Ziergiebel mit dem übereck gestellten quadratischen Fenster.
An der Ecke befindet sich das Blumenhaus Orchidee. Die Schrift selbst ist wohl jüngeren Datums; zeittypisch ist ihr verspielter geometrischer Rahmen aus flachen Klinkersteinen.
Das gegenüberliegende Haus steht übereck an der Arthur-Hoffmann-Strasse und der Richard-Lehmann-Strasse. Gleichzeitig wie Thiele arbeitete hier ein zweiter Architekt namens Fritz Riemann.
Hier erheischen die einzelnen Reliefs Aufmerksamkeit: Sie mögen in der flächigen Weite der Fassade etwas verloren scheinen. Für sich haben sie dank ihrer figürlichen Motive jedoch eine starke Präsenz im Strassenbild.
Veröffentlicht am 8. Juni 2013
Dickhäuterhaus und Bärenburg – Zur Architektur des Leipziger Zoos
Der Zoo in Leipzig hat auch architektonisch viel zu bieten: Zwischen 1924 und 1936 entstanden mehrere Erweiterungsbauten nach Plänen des Architekten Carl James Bühring und des Zoodirektors Johannes Gebbing wie in dem lesenswerten Buch von Peter Leonhardt, Moderne in Leipzig. Architektur und Städtebau 1918 bis 1933 (Leipzig 2007), nachzulesen ist.
In diesem Artikel geht es um die Behausungen der Elefanten und der Bären. Beide Tierhäuser sind als gitterlose Freianlagen konzipiert – eine damals neue Möglichkeit der Tierpräsentation, welche auf Carl Hagenbeck und seinen Hamburger Tierpark zurückgeht wie Leonhardt in seinem Buch schreibt.
Das Dickhäuterhaus besticht gestalterisch durch seine Oberfläche: Die Klinkersteine sind absichtlich verschieden gebrannt und sorgfältig vermauert. Es entsteht eine feingliedrige Wand, die an ein Mosaik erinnert:
Mehr Relief als Mosaik bietet die Bärenburg: Die Bären selbst haben die Burg zwar inzwischen verlassen und eine neue Verwendung für das denkmalgeschützte Areal ist vorerst noch nicht gefunden.
Die turmartigen Gehäuse der Bärenburg werden durch vorspringende dunkle Backsteine reliefartig gekennzeichnet:
Die Eleganz des Art Déco tut sich in Details kund wie dieses Bild zum Abschluss beweist:
Veröffentlicht am 18. Juli 2013
Rimini fuori stagione
Die Zwischensaison an einem Ferienort birgt ihren eigenen, melancholisch angehauchten Reiz. Rimini ist einer der traditionsreichsten Badeorte ganz Italiens. Wer mit der Eisenbahn anreist, erfährt das bipolare Wesen der Stadt, kaum ist er ausgestiegen: Es gibt nur zwei Richtungen: „Mare“ oder „Zentrum“. Die deutsche Schreibweise der einen Richtung ist bemerkenswert: Sollen die deutschsprachigen Urlaubsgäste vom Meer weg in das sehenswerte Zentrum der Stadt gelockt werden?
Wir wählen den Weg zum Meer und besuchen den Strand an einem Spätnachmittag im Januar.
Horizontmelancholie stellt sich ein. Der düstere Wolkenhimmel lässt die Architektur und Infrastruktur des Badetourismus noch verlorener wirken.
Veröffentlicht am 16. März 2014
Die Fledermaus im Turm Philipps des Guten
Fledermäuse leben gern in alten Gemäuern. In Wirklichkeit und in der Phantasie des Schauerromans und Gruselfilms. In Dijon haust seit über einem halben Jahrtausend eine aus Stein gehauene Fledermaus. Pure Gothic an prominenter Lage im Turm zum Palast der Burgundischen Herzöge.
Der Turm, 1460 unter Herzog Philipp dem Guten erbaut, ragt heute erratisch hinter der symmetrischen Palastanlage des 18. Jahrhunderts empor. Auch bei Tageslicht mutet seine Gestalt archaisch an.
Im Innern des Turms liess Kunstfreund Philipp der Gute den Steinmetzen freien Lauf: Sie schufen ein Meisterwerk der burgundischen Spätgotik. Das Treppenhaus beherbergt eine Wendeltreppe, die in einem Zug von unten nach oben ins Turmgewölbe führt.
Der Aufstieg gestaltet sich abwechslungsreich und unzählige Ornamente und Figuren geleiten den Weg.
Bei der Tür zur Bibliothek verweisen eine Fledermaus mit gespannten Flügeln als mögliches Sinnbild für die Klugheit (Nachtsichtig) und ein mit einer Blattranke gestopfter Mund als Sinnbild zur Schweigepflicht auf die Bestimmung des Raums hinter der Tür.
Die Zierfreude belebt Dijon auch heute immer wieder aufs Neue: Schnecke Espoir braucht den weiten Weg über die Wand nicht zu scheuen; sie hat ihren Single-Haushalt immer mit dabei.
Veröffentlicht am 23. März 2014
Brief an den Hafenkran
Baden, den 1. Juni 2014
Lieber Hafenkran,
Vieles ist über Dich gesagt und geschrieben worden, Freundliches und weniger Freundliches. Ich schreibe Dir, nachdem ich Dich am Auffahrtstag zum ersten Mal gesehen habe. Mein Gang zu Dir war von Skepsis begleitet: Wie teuer bist Du doch gewesen (genauer: Dein Transport und Deine Montage)! Ist es nötig, Dich an so prominenter Lage im Zürcher Stadtbild zu platzieren?
Dein herber Industrie-Charme hat meine Bedenken genommen. Ja, sie sogar in Begeisterung verwandelt. Schon Dein gelenkiger Auftritt mit drei Beinen auf einem Paar Schienen überrascht.
Deine Gesamtform, aussen eckig, innen abgerundet, überzeugt auch in den Einzelheiten und die Nieten-Bänder machen Dich zum Rockstar.
Von hohem optischen Reiz sind Deine elegant geschwungenen Eisengeländer; sie zeichnen präzise Schwunglinien in den Zürcher Himmel.
Die Leiter führt hinauf zu Deinem Kern: Dem Motoren- und Windenhaus mit dem verglasten Führerstand. Wie von hier die Aussicht auf Deine neue Heimat wohl sein mag?
Ein Meisterstück des Industriedesigns ist Dein Gegengewicht, das von elegant geschwungenen Geländern und Plattformen umspannt ist.
Zu guter Letzt: Dein Kranarm. Mit seiner Schrägstellung forderst Du die zahlreichen waagrechten Kranarme Deiner neuen Umgebung heraus: Du bist ein Hafenkran, kein (weiterer) Baukran.
All das spricht aus meiner Sicht für Dich und Deinen vorübergehenden Aufenthalt in der Limmatstadt. Ich wünsche Dir weiterhin staunende, mitunter skeptische, wenig ablehnende und viel erfreute Betrachterinnen und Betrachter. Dass ich zu den Letzteren zähle, hoffe ich, Dir mit diesem Brief gezeigt zu haben.
Veröffentlicht am 1. Juli 2014